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(Zu)wenige oder keine Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen?

(Zu)wenige oder keine Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen?

10. Juli 2024

10. Juli 2024

Immer wieder sehen sich Vergabestellen damit konfrontiert, dass bei öffentlichen Ausschreibungen nur sehr wenige Angebote eingehen. Nachfolgend eine Ursachenforschung und Ansätze zur Lösung:

Eine öffentliche Beschaffung läuft (zumindest in der Theorie) wie folgt ab: Die Vergabestellen schreiben öffentlich aus, welche Leistungen sie benötigen und welche Anforderungen an die Anbieterinnen gestellt werden. Diese «balgen» sich um den Zuschlag, in dem sie versuchen, das vorteilhafteste Angebot einzureichen. Dabei definieren Vergabestellen die Eignungs- und Musskriterien sowie die sonstigen (Vertrags)-Bedingungen und geben vor, welche Nachweise Anbieterinnen zu erbringen haben. So sieht es auch das revidierte Beschaffungsrecht (Böb/IVöB) im Grundsatz vor.

Was aber, wenn auf eine Ausschreibung nur wenige oder gar keine Angebote eingehen?

Die Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts basieren auf der Annahme des Vorliegens eines Angebotsmarkts (d.h. das Angebot übersteigt die Nachfrage): In einem solchen sind es die Nachfrager (öffentliche Hand), welche die Bedingungen vorgeben können: Die Anbieter sind bei einer solchen Marktkonstellation bereit, sich dem ausgerufenen Preis- und Qualitätswettbewerb zu stellen. Fast alle Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts basieren auf der Annahme des Vorliegens eines Angebotsmarktes.

In gewissen Branchen ist jedoch in der Tendenz zu beobachten, dass Vergabestellen sich immer wieder damit auseinandersetzen müssen, dass bei einer Ausschreibung nur sehr wenige oder gar keine Angebote eingehen. Wie ist mit diesem Phänomen umzugehen? Weshalb werden nicht mehr Angebote eingereicht? Liegt ein Nachfragemarkt vor und bietet unser Beschaffungsrecht für solche Konstellationen überhaupt brauchbare Instrumente?

Rechtliche Folgen:

Die IVöB/BöB sieht vor, dass im Falle, dass keine gültigen Angebote eingehen (Art. 43 Abs. 1 lit. b) oder die eingereichten Angebote keine wirtschaftliche Beschaffung erlauben (Art. 43 Abs. 1 lit. d) (etwa wenn nur ein oder zwei überteuerte Angebote eingegangen sind) ein Verfahren abgebrochen werden kann. Für den Fall, dass gar keine oder keine gültigen Angebote eingehen, ist es der Vergabestelle erlaubt,  einen Auftrag freihändig zu erteilen (Art. 21 Abs. 2 lit. a IVöB). Zu beachten ist aber, dass nur ein Auftrag freihändig vergeben werden darf, der von der Ausschreibung nicht wesentlich abweicht.

Die Vergabestelle hat grundsätzlich die Möglichkeit, nach einer ergebnislosen Ausschreibung einen Anbieter zu suchen, der den Auftrag erfüllen kann und diesem den Auftrag freihändig zu erteilen. Wenn aber die Vergabestelle feststellt, dass die Eignungskriterien zu streng formuliert waren und deswegen keine gültigen Angebote eingegangen sind, kann sie nicht einfach unter Verzicht auf die Anwendung der Eignungskriterien eine ausnahmsweise Freihandvergabe an eine Anbieterin vornehmen, welche diese Kriterien ebenfalls nicht erfüllt.  Stattdessen ist die Ausschreibung unter den angepassten Voraussetzungen zu wiederholen.

Neben den rechtlichen Fragestellungen sind jedoch m.E. die anderen Fragen noch viel wichtiger, welche sich beim Vorliegen von nur wenigen oder keinen gültigen Angeboten stellen:

Fehlender Wettbewerb stellt Zweck des Beschaffungsrechts in Frage:

Natürlich ist das Vorliegen weniger Angebote auch ein Zeichen des Marktes. Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass bei wenigen Angeboten der Wettbewerb (welcher das Ziel des Beschaffungsrechts ist) nur eingeschränkt spielen kann. Denn wenn nur sehr wenige Anbieterinnen an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, ist zumindest sehr fraglich, ob in einem solchen Verfahren noch ein «vorteilhaftes» Angebot vorliegt, welchem den Zuschlag erteilt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn für die ausgeschriebene Leistungen grundsätzlich viele Anbieterinnen vorhanden wären. In solchen Konstellationen ist das Erreichen des Ziels des öffentlichen Beschaffungsrechts, qualitativ und wirtschaftlich zu beschaffen, zumindest in Frage gestellt.

Herausforderungen durch starre Verfahrensvorgaben:

Gerade in Märkten, in denen die Tendenz Richtung Nachfragemarkt geht, können die formellen Verfahrensabläufe des öffentlichen Beschaffungsrechts in mehrfacher Hinsicht die Suche nach einem geeigneten Angebot noch erschweren. So ist in öffentlichen Ausschreibungsverfahren der direkte Kontakt mit Anbieterinnen zumindest heikel. Auch sind Verhandlungen über Preise und andere Konditionen während des Ausschreibungsverfahrens nicht zulässig. Die Angebotseinreichung ist jeweils nur über ein begrenztes Zeitfenster möglich und mit starren Fristen verbunden. In einem Nachfragemarkt wirken sich solche zusätzlichen Hürden weitaus stärker auf die Zahl der teilnahmewilligen Anbieterinnen aus als auf einem Angebotsmarkt.

Ist das Problem «hausgemacht»? Was können Vergabestellen tun?

Wenn man gewissen Tendenzen aus der Beschaffungslandschaft und auch Rückmeldungen aus Anbieterkreisen analysiert, kann man zumindest die Hypothese aufstellen, dass das Problem von (zu) wenigen Angeboten oft auch «hausgemacht» ist.

Denn der Umstand, dass die Vergabestellen in der Ausschreibung die genauen Leistungen, Anforderungen und Kriterien sowie Formalitäten vorgeben können,  kann diese dazu verleiten, sehr hohe Anforderungen an die Anbietenden und die Angebote zu stellen. Sei dies in Bezug auf den Nachweis der Eignung, Vorgaben in Bezug auf Nachhaltigkeit und technische Spezifikationen, Sicherheit, Verfügbarkeit etc. Meist erfolgt dies aus einem gut gemeinten Ansatz, so die Qualität der Beschaffung verbessern zu wollen.

Zu strenge und zu viele Anforderungen können jedoch kontraproduktiv wirken:  Denn sehr umfangreicher und über zig- Formularen und Dokumenten zusammengestellte Ausschreibungsunterlagen können für die Anbieterinnen zu einem bürokratischen Kraftakt werden. Bereits die Sichtung und Analyse solcher Ausschreibungen und umso mehr das Ausarbeiten der entsprechenden Offerten mit all den verlangten Nachweisen kostet die Anbieterinnen Zeit und damit Geld. Umso mehr, wenn sich die Unterlagen und Bedingungen über verschiedene Pflichtenhefte, allgemeine, besondere und weitere Vertragsbedingungen und zig Formulare und Nachweise erstrecken.

Wenn Vergabestellen in der Ausschreibung die Vertragsbedingungen diktieren (können), führt dies zudem oft dazu, dass diese (zu)einseitig ausgestaltet werden und Klauseln enthalten, welche eine Anbieterin im Rahmen einer offenen Vertragsverhandlung nicht akzeptiert würde (vgl. der Blogartikel Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Vergabestellen? ). In der Regel wird von den Anbieterinnen verlangt, mit dem Angebot zig Dokumente und Pläne und Bedingungen zu akzeptieren, was für diese mit vertraglichen Risiken bei der späteren Auftragserfüllung verbunden ist.

Verstärkt durch die (zum Teil sehr formalistische) strenge Rechtsprechung, was den Ausschluss bei unvollständigen Angeboten anbelangt, erstaunt es wenig, dass einige Anbieterinnen, welche bereits genügend Aufträge in den Büchern haben, sich dazu entscheiden, auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu verzichten, da sich Aufwand und Risiken mit den Chancen nicht die Waage halten. Dies ist insbesondere in Branchen feststellbar, in denen neben der öffentlichen Hand auch genügen private Nachfrager für die angebotenen Leistungen vorhanden sind.

Grundsätzlich kann es nicht das Ziel des Beschaffungsrechts sein, den Wettbewerb durch zu strenge Anforderungen und zu aufwändige Prozesse bereits im vornherein derart einzuschränken, dass ein grosser Teil der verfügbaren Anbieterinnen auf die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung verzichtet. Wenn in öffentlichen Ausschreibungen regelmässig nur sehr wenige Angebote eingehen, können die Ziele des Beschaffungsrecht nicht erreicht werden. Vergabestellen und die dort engagierten Personen sind gut beraten, sich im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen die folgenden Gedanken zu machen:

 Vorgängige Marktanalyse:

  • Was ist unsere Zielgruppe an Anbieterinnen, welche Angebote und Anbieterinnen bestehen auf dem Markt?
  • Wie muss die Ausschreibung und Bedingungen ausgestaltet sein, damit möglichst viele Anbieterinnen teilnehmen (können), welches sind die vertraglichen Standards in der Branche?
  • Besteht die Möglichkeit, mit einer Vorankündigung die potenziellen Anbieterinnen auf die Ausschreibung aufmerksam zu machen?

Anforderungen in Bezug auf Eignungs- und Musskriterien

Ausgestaltung der Ausschreibungsbedingungen und der Unterlagen

  • Klare und benutzerfreundliche, d.h. übersichtliche und verständliche Ausschreibungsdokumente, welche von den Anbieterinnen einfach lesbar und umsetzbar sind (kein Aneinanderreihen von zig Bedingungen und Dokumenten)
  • Einseitige Vertragsbestimmungen vermeiden (keine Knebelverträge mit einseitigen Bedingungen, Haftungsklauseln, übertriebenen Anforderungen etc.);
  • Keine «Papierschlacht» veranstalten, sondern klare Formulare oder Nachweise verlangen, welche für die Eignungsprüfung und Zuschlagsbewertung notwendig sind;
  • Keine Dokumente und Nachweise verlangen, welche nicht geprüft werden;
  • Genügend lange Fristen für die Angebotseinreichung vorsehen;

Manchmal ist weniger auch mehr! Auch Ausschreibungen müssen attraktiv sein:

Diese Empfehlungen sind nicht als Votum für eine Abkehr von einer auf Qualität und Nachhaltigkeit ausgerichteten Beschaffungsstrategie zu verstehen. Im Gegenteil! Aber wenn man bei den Anforderungen und Nachweisen übers Ziel hinausschiesst, führt dies dazu, dass die Zahl und auch Qualität der Angebote nicht zu, sondern abnimmt.  

Natürlich gibt es komplexe Nischenmärkten mit nur wenigen Anbietern. Bei solchen Ausschreibungen wird auch mit einer geringen Angebotszahl zu rechnen sein. Wenn in einer Ausschreibung in einem grösseren Markt jedoch nur wenige Angebote eingehen, sollten sich die Vergabestellen zumindest Gedanken machen und abklären, ob und weshalb die anderen Anbieterinnen auf die Angebotseinreichung verzichtet haben. So kann festgestellt werden, ob die Ausschreibungsbedingungen am effektiven Markt vorbeizielen oder überschiessen. Wenn viele Anbieterinnen die Ausschreibungsunterlagen auf simap.ch runtergeladen haben, dann aber nur wenige ein Angebot einreichen, ist das zumindest ein starkes Indiz dafür, dass die Ausschreibung zu wenig attraktiv war.

In Fällen, in denen klar wird, dass viele qualifizierte Anbieterinnen auf die Teilnahme verzichtet haben, ist die Vergabestelle gut beraten, ihre Beschaffungsstrategie und die Unterlagen für künftige Ausschreibungen zu überarbeiten. Wenn aufgrund weniger Angebote eine wirtschaftliche und qualitative Beschaffung  nicht möglich ist, sollte auch der Abbruch des Verfahrens und eine Neuausschreibung geprüft werden (vgl. dazu Zulässigkeit eines Verfahrensabbruchs bei nur einem Angebot (submissionsrecht.ch)). 

 

Immer wieder sehen sich Vergabestellen damit konfrontiert, dass bei öffentlichen Ausschreibungen nur sehr wenige Angebote eingehen. Nachfolgend eine Ursachenforschung und Ansätze zur Lösung:

Eine öffentliche Beschaffung läuft (zumindest in der Theorie) wie folgt ab: Die Vergabestellen schreiben öffentlich aus, welche Leistungen sie benötigen und welche Anforderungen an die Anbieterinnen gestellt werden. Diese «balgen» sich um den Zuschlag, in dem sie versuchen, das vorteilhafteste Angebot einzureichen. Dabei definieren Vergabestellen die Eignungs- und Musskriterien sowie die sonstigen (Vertrags)-Bedingungen und geben vor, welche Nachweise Anbieterinnen zu erbringen haben. So sieht es auch das revidierte Beschaffungsrecht (Böb/IVöB) im Grundsatz vor.

Was aber, wenn auf eine Ausschreibung nur wenige oder gar keine Angebote eingehen?

Die Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts basieren auf der Annahme des Vorliegens eines Angebotsmarkts (d.h. das Angebot übersteigt die Nachfrage): In einem solchen sind es die Nachfrager (öffentliche Hand), welche die Bedingungen vorgeben können: Die Anbieter sind bei einer solchen Marktkonstellation bereit, sich dem ausgerufenen Preis- und Qualitätswettbewerb zu stellen. Fast alle Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts basieren auf der Annahme des Vorliegens eines Angebotsmarktes.

In gewissen Branchen ist jedoch in der Tendenz zu beobachten, dass Vergabestellen sich immer wieder damit auseinandersetzen müssen, dass bei einer Ausschreibung nur sehr wenige oder gar keine Angebote eingehen. Wie ist mit diesem Phänomen umzugehen? Weshalb werden nicht mehr Angebote eingereicht? Liegt ein Nachfragemarkt vor und bietet unser Beschaffungsrecht für solche Konstellationen überhaupt brauchbare Instrumente?

Rechtliche Folgen:

Die IVöB/BöB sieht vor, dass im Falle, dass keine gültigen Angebote eingehen (Art. 43 Abs. 1 lit. b) oder die eingereichten Angebote keine wirtschaftliche Beschaffung erlauben (Art. 43 Abs. 1 lit. d) (etwa wenn nur ein oder zwei überteuerte Angebote eingegangen sind) ein Verfahren abgebrochen werden kann. Für den Fall, dass gar keine oder keine gültigen Angebote eingehen, ist es der Vergabestelle erlaubt,  einen Auftrag freihändig zu erteilen (Art. 21 Abs. 2 lit. a IVöB). Zu beachten ist aber, dass nur ein Auftrag freihändig vergeben werden darf, der von der Ausschreibung nicht wesentlich abweicht.

Die Vergabestelle hat grundsätzlich die Möglichkeit, nach einer ergebnislosen Ausschreibung einen Anbieter zu suchen, der den Auftrag erfüllen kann und diesem den Auftrag freihändig zu erteilen. Wenn aber die Vergabestelle feststellt, dass die Eignungskriterien zu streng formuliert waren und deswegen keine gültigen Angebote eingegangen sind, kann sie nicht einfach unter Verzicht auf die Anwendung der Eignungskriterien eine ausnahmsweise Freihandvergabe an eine Anbieterin vornehmen, welche diese Kriterien ebenfalls nicht erfüllt.  Stattdessen ist die Ausschreibung unter den angepassten Voraussetzungen zu wiederholen.

Neben den rechtlichen Fragestellungen sind jedoch m.E. die anderen Fragen noch viel wichtiger, welche sich beim Vorliegen von nur wenigen oder keinen gültigen Angeboten stellen:

Fehlender Wettbewerb stellt Zweck des Beschaffungsrechts in Frage:

Natürlich ist das Vorliegen weniger Angebote auch ein Zeichen des Marktes. Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass bei wenigen Angeboten der Wettbewerb (welcher das Ziel des Beschaffungsrechts ist) nur eingeschränkt spielen kann. Denn wenn nur sehr wenige Anbieterinnen an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, ist zumindest sehr fraglich, ob in einem solchen Verfahren noch ein «vorteilhaftes» Angebot vorliegt, welchem den Zuschlag erteilt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn für die ausgeschriebene Leistungen grundsätzlich viele Anbieterinnen vorhanden wären. In solchen Konstellationen ist das Erreichen des Ziels des öffentlichen Beschaffungsrechts, qualitativ und wirtschaftlich zu beschaffen, zumindest in Frage gestellt.

Herausforderungen durch starre Verfahrensvorgaben:

Gerade in Märkten, in denen die Tendenz Richtung Nachfragemarkt geht, können die formellen Verfahrensabläufe des öffentlichen Beschaffungsrechts in mehrfacher Hinsicht die Suche nach einem geeigneten Angebot noch erschweren. So ist in öffentlichen Ausschreibungsverfahren der direkte Kontakt mit Anbieterinnen zumindest heikel. Auch sind Verhandlungen über Preise und andere Konditionen während des Ausschreibungsverfahrens nicht zulässig. Die Angebotseinreichung ist jeweils nur über ein begrenztes Zeitfenster möglich und mit starren Fristen verbunden. In einem Nachfragemarkt wirken sich solche zusätzlichen Hürden weitaus stärker auf die Zahl der teilnahmewilligen Anbieterinnen aus als auf einem Angebotsmarkt.

Ist das Problem «hausgemacht»? Was können Vergabestellen tun?

Wenn man gewissen Tendenzen aus der Beschaffungslandschaft und auch Rückmeldungen aus Anbieterkreisen analysiert, kann man zumindest die Hypothese aufstellen, dass das Problem von (zu) wenigen Angeboten oft auch «hausgemacht» ist.

Denn der Umstand, dass die Vergabestellen in der Ausschreibung die genauen Leistungen, Anforderungen und Kriterien sowie Formalitäten vorgeben können,  kann diese dazu verleiten, sehr hohe Anforderungen an die Anbietenden und die Angebote zu stellen. Sei dies in Bezug auf den Nachweis der Eignung, Vorgaben in Bezug auf Nachhaltigkeit und technische Spezifikationen, Sicherheit, Verfügbarkeit etc. Meist erfolgt dies aus einem gut gemeinten Ansatz, so die Qualität der Beschaffung verbessern zu wollen.

Zu strenge und zu viele Anforderungen können jedoch kontraproduktiv wirken:  Denn sehr umfangreicher und über zig- Formularen und Dokumenten zusammengestellte Ausschreibungsunterlagen können für die Anbieterinnen zu einem bürokratischen Kraftakt werden. Bereits die Sichtung und Analyse solcher Ausschreibungen und umso mehr das Ausarbeiten der entsprechenden Offerten mit all den verlangten Nachweisen kostet die Anbieterinnen Zeit und damit Geld. Umso mehr, wenn sich die Unterlagen und Bedingungen über verschiedene Pflichtenhefte, allgemeine, besondere und weitere Vertragsbedingungen und zig Formulare und Nachweise erstrecken.

Wenn Vergabestellen in der Ausschreibung die Vertragsbedingungen diktieren (können), führt dies zudem oft dazu, dass diese (zu)einseitig ausgestaltet werden und Klauseln enthalten, welche eine Anbieterin im Rahmen einer offenen Vertragsverhandlung nicht akzeptiert würde (vgl. der Blogartikel Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Vergabestellen? ). In der Regel wird von den Anbieterinnen verlangt, mit dem Angebot zig Dokumente und Pläne und Bedingungen zu akzeptieren, was für diese mit vertraglichen Risiken bei der späteren Auftragserfüllung verbunden ist.

Verstärkt durch die (zum Teil sehr formalistische) strenge Rechtsprechung, was den Ausschluss bei unvollständigen Angeboten anbelangt, erstaunt es wenig, dass einige Anbieterinnen, welche bereits genügend Aufträge in den Büchern haben, sich dazu entscheiden, auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu verzichten, da sich Aufwand und Risiken mit den Chancen nicht die Waage halten. Dies ist insbesondere in Branchen feststellbar, in denen neben der öffentlichen Hand auch genügen private Nachfrager für die angebotenen Leistungen vorhanden sind.

Grundsätzlich kann es nicht das Ziel des Beschaffungsrechts sein, den Wettbewerb durch zu strenge Anforderungen und zu aufwändige Prozesse bereits im vornherein derart einzuschränken, dass ein grosser Teil der verfügbaren Anbieterinnen auf die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung verzichtet. Wenn in öffentlichen Ausschreibungen regelmässig nur sehr wenige Angebote eingehen, können die Ziele des Beschaffungsrecht nicht erreicht werden. Vergabestellen und die dort engagierten Personen sind gut beraten, sich im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen die folgenden Gedanken zu machen:

 Vorgängige Marktanalyse:

  • Was ist unsere Zielgruppe an Anbieterinnen, welche Angebote und Anbieterinnen bestehen auf dem Markt?
  • Wie muss die Ausschreibung und Bedingungen ausgestaltet sein, damit möglichst viele Anbieterinnen teilnehmen (können), welches sind die vertraglichen Standards in der Branche?
  • Besteht die Möglichkeit, mit einer Vorankündigung die potenziellen Anbieterinnen auf die Ausschreibung aufmerksam zu machen?

Anforderungen in Bezug auf Eignungs- und Musskriterien

Ausgestaltung der Ausschreibungsbedingungen und der Unterlagen

  • Klare und benutzerfreundliche, d.h. übersichtliche und verständliche Ausschreibungsdokumente, welche von den Anbieterinnen einfach lesbar und umsetzbar sind (kein Aneinanderreihen von zig Bedingungen und Dokumenten)
  • Einseitige Vertragsbestimmungen vermeiden (keine Knebelverträge mit einseitigen Bedingungen, Haftungsklauseln, übertriebenen Anforderungen etc.);
  • Keine «Papierschlacht» veranstalten, sondern klare Formulare oder Nachweise verlangen, welche für die Eignungsprüfung und Zuschlagsbewertung notwendig sind;
  • Keine Dokumente und Nachweise verlangen, welche nicht geprüft werden;
  • Genügend lange Fristen für die Angebotseinreichung vorsehen;

Manchmal ist weniger auch mehr! Auch Ausschreibungen müssen attraktiv sein:

Diese Empfehlungen sind nicht als Votum für eine Abkehr von einer auf Qualität und Nachhaltigkeit ausgerichteten Beschaffungsstrategie zu verstehen. Im Gegenteil! Aber wenn man bei den Anforderungen und Nachweisen übers Ziel hinausschiesst, führt dies dazu, dass die Zahl und auch Qualität der Angebote nicht zu, sondern abnimmt.  

Natürlich gibt es komplexe Nischenmärkten mit nur wenigen Anbietern. Bei solchen Ausschreibungen wird auch mit einer geringen Angebotszahl zu rechnen sein. Wenn in einer Ausschreibung in einem grösseren Markt jedoch nur wenige Angebote eingehen, sollten sich die Vergabestellen zumindest Gedanken machen und abklären, ob und weshalb die anderen Anbieterinnen auf die Angebotseinreichung verzichtet haben. So kann festgestellt werden, ob die Ausschreibungsbedingungen am effektiven Markt vorbeizielen oder überschiessen. Wenn viele Anbieterinnen die Ausschreibungsunterlagen auf simap.ch runtergeladen haben, dann aber nur wenige ein Angebot einreichen, ist das zumindest ein starkes Indiz dafür, dass die Ausschreibung zu wenig attraktiv war.

In Fällen, in denen klar wird, dass viele qualifizierte Anbieterinnen auf die Teilnahme verzichtet haben, ist die Vergabestelle gut beraten, ihre Beschaffungsstrategie und die Unterlagen für künftige Ausschreibungen zu überarbeiten. Wenn aufgrund weniger Angebote eine wirtschaftliche und qualitative Beschaffung  nicht möglich ist, sollte auch der Abbruch des Verfahrens und eine Neuausschreibung geprüft werden (vgl. dazu Zulässigkeit eines Verfahrensabbruchs bei nur einem Angebot (submissionsrecht.ch)). 

 


lic.iur. Christoph Schärli,  Partner | Rechtsanwalt, Viadukt Recht GmbH

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