Vorbehalt im Angebot – beim Ausschluss ist Augenmass geboten
Vorbehalt im Angebot – beim Ausschluss ist Augenmass geboten
11. Januar 2021
11. Januar 2021
Verwaltungsgericht Zürich, VB.2020.00316, 3. September 2020 - Vorbehalte in Leistungsverzeichnissen/Angebote
Das Verwaltungsgericht Zürich hatte in einem vor kurzem publizierten Entscheid Gelegenheit, sich mit dem Umgang mit Vorbehalten in Leistungsverzeichnissen/Angeboten und deren Folgen betreffend Ausschluss auseinanderzusetzen. Dabei macht das Verwaltungsgericht klar, dass nicht jeder Vorbehalt eines Anbieters zu einem Ausschluss führen darf. Diese Klarstellung ist zu begrüssen, ist trotz der vergaberechtlichen Strenge im Umgang mit Vorbehalten immer auch der verfassungsmässige Verhältnismässigkeitsgrundsatz und das Verbot eines überspitzten Formalismus zu beachten.
Das Verwaltungsgericht Zürich hat den Ausschluss eines Anbieters vom Vergabeverfahren als unrechtmässig beurteilt und die Beschwerde gutgeheissen. Die Vergabestelle hat die Anbieterin wegen den folgenden Vorbehalten im Begleitschreiben bzw. dem technischen Bericht im Angebot ausgeschlossen:
“Gesamtbauzeit von 68 Tagen vom 29. Juni bis 30. September 2020, vorbehältlich den Arbeitsbestimmungen des Bundesrates und den allgemeinen Folgen im Zusammenhang mit der Pandemie“.
Zudem führte die Anbieterin im technischen Bericht bei den Baustelleneinrichtungen und der Installationsfläche den folgenden Vorbehalt auf:
“Vorbehältlich BAG Covid-19 Massnahmen”. Mit “Sternchen” gab sie 2 statt 1 Baubüro, 2 statt 1 Mannschaftscontainer sowie 2 statt 1 Sanitäranlage an.
Unter Verweis auf die strenge Rechtsprechung zu den Vorbehalten im Submissionsverfahren stellte das Verwaltungsgericht klar, dass es sich bei den genannten Ausführungen, insbesondere die von der Beschwerdeführerin angebrachten Ergänzungen in den “Sternchen”, um echte Vorbehalte und nicht blosse Hinweise handelt, welche grundsätzlich zu einem Ausschluss aus dem Verfahren führen können. Das Gericht hielt aber fest, dass nur wesentliche Vorbehalte zu einem Ausschluss führen dürfen.
Wesentlich ist ein Vorbehalt nur dann, wenn er zu einer Abänderung der Ausschreibung bzw. und einer Verfälschung des Angebotes (gegenüber den anderen Angeboten) bei der Bewertung führt. Dies hat das Gericht im konkreten Fall insbesondere deshalb verneint, weil sich die entsprechenden vorbehältlich mit den Sternchen zusätzlich offerierten Baustelleneinrichtung selbst bei einer Verdoppelung der entsprechend offerierten Kosten keine Auswirkungen auf die Bewertung und die Reihenfolge der Angebote gehabt hätte. Entsprechend war der Vorbehalt nicht wesentlich, fand dadurch keine Verfälschung der Angebote und der Bewertung statt.
Auch den Vorbehalt der längeren Bauzeit bei COVID-Massnahmen beurteilte das Gericht unter Verweis auf die einschlägigen Normen der SIA 118, welche dem Unternehmer in solchen Fällen ohnehin Anspruch auf eine Fristerstreckung gibt, als unwesentlich. Es beurteilte den Ausschluss als unverhältnismässig und damit rechtswidrig
Kommentar:
Der Entscheid ist sachlich und rechtlich zu begrüssen und richtig. Dies insbesondere auch vor folgendem Hintergrund: In den vergangenen Jahren sind verschiedene öffentliche Bauherren / Auftraggeber dazu übergegangen, die Vorgaben und Terminprogramme aber auch Leistungsverzeichnissen in den Ausschreibungen (teilweise mit empfindlichen Konventionalstrafen verbunden) zu «straffen». Sie verlangen mit der Angebotseinreichung die vollumfängliche Bestätigung der so aufgestellten (einseitigen) Vertragsbedingungen durch die Anbieter. Dies führt dazu, dass später bei Änderungen und Verzögerungen Anbieter auf diese Bestätigung behaftet werden. (vgl. dazu der Artikel auf diesem Blog: Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Vergabestellen?
Auch wenn Vorbehalte vergaberechtlich problematisch sind, sollt es den Anbietern doch möglich sein, in berechtigten Fällen auf besondere Umstände (wie vorliegend die COVID-Situation) oder Unklarheiten im Angebot hinzuweisen und allfällige berechtigte Vorbehalte/Ergänzungen zu machen. Für die Vergabestellen bedeutet dies, dass jeder Vorbehalt sachlich auf seine Wesentlichkeit (und Berechtigung) zu prüfen ist, bevor vorschnell einen Ausschluss verfügt wird. Der Entscheid ist aber keineswegs ein Freipass oder eine allgemeine Zulassung von Vorbehalten, das Vergaberecht bleibt in dieser Hinsicht sehr strikt und formalistisch.
Verwaltungsgericht Zürich, VB.2020.00316, 3. September 2020 - Vorbehalte in Leistungsverzeichnissen/Angebote
Das Verwaltungsgericht Zürich hatte in einem vor kurzem publizierten Entscheid Gelegenheit, sich mit dem Umgang mit Vorbehalten in Leistungsverzeichnissen/Angeboten und deren Folgen betreffend Ausschluss auseinanderzusetzen. Dabei macht das Verwaltungsgericht klar, dass nicht jeder Vorbehalt eines Anbieters zu einem Ausschluss führen darf. Diese Klarstellung ist zu begrüssen, ist trotz der vergaberechtlichen Strenge im Umgang mit Vorbehalten immer auch der verfassungsmässige Verhältnismässigkeitsgrundsatz und das Verbot eines überspitzten Formalismus zu beachten.
Das Verwaltungsgericht Zürich hat den Ausschluss eines Anbieters vom Vergabeverfahren als unrechtmässig beurteilt und die Beschwerde gutgeheissen. Die Vergabestelle hat die Anbieterin wegen den folgenden Vorbehalten im Begleitschreiben bzw. dem technischen Bericht im Angebot ausgeschlossen:
“Gesamtbauzeit von 68 Tagen vom 29. Juni bis 30. September 2020, vorbehältlich den Arbeitsbestimmungen des Bundesrates und den allgemeinen Folgen im Zusammenhang mit der Pandemie“.
Zudem führte die Anbieterin im technischen Bericht bei den Baustelleneinrichtungen und der Installationsfläche den folgenden Vorbehalt auf:
“Vorbehältlich BAG Covid-19 Massnahmen”. Mit “Sternchen” gab sie 2 statt 1 Baubüro, 2 statt 1 Mannschaftscontainer sowie 2 statt 1 Sanitäranlage an.
Unter Verweis auf die strenge Rechtsprechung zu den Vorbehalten im Submissionsverfahren stellte das Verwaltungsgericht klar, dass es sich bei den genannten Ausführungen, insbesondere die von der Beschwerdeführerin angebrachten Ergänzungen in den “Sternchen”, um echte Vorbehalte und nicht blosse Hinweise handelt, welche grundsätzlich zu einem Ausschluss aus dem Verfahren führen können. Das Gericht hielt aber fest, dass nur wesentliche Vorbehalte zu einem Ausschluss führen dürfen.
Wesentlich ist ein Vorbehalt nur dann, wenn er zu einer Abänderung der Ausschreibung bzw. und einer Verfälschung des Angebotes (gegenüber den anderen Angeboten) bei der Bewertung führt. Dies hat das Gericht im konkreten Fall insbesondere deshalb verneint, weil sich die entsprechenden vorbehältlich mit den Sternchen zusätzlich offerierten Baustelleneinrichtung selbst bei einer Verdoppelung der entsprechend offerierten Kosten keine Auswirkungen auf die Bewertung und die Reihenfolge der Angebote gehabt hätte. Entsprechend war der Vorbehalt nicht wesentlich, fand dadurch keine Verfälschung der Angebote und der Bewertung statt.
Auch den Vorbehalt der längeren Bauzeit bei COVID-Massnahmen beurteilte das Gericht unter Verweis auf die einschlägigen Normen der SIA 118, welche dem Unternehmer in solchen Fällen ohnehin Anspruch auf eine Fristerstreckung gibt, als unwesentlich. Es beurteilte den Ausschluss als unverhältnismässig und damit rechtswidrig
Kommentar:
Der Entscheid ist sachlich und rechtlich zu begrüssen und richtig. Dies insbesondere auch vor folgendem Hintergrund: In den vergangenen Jahren sind verschiedene öffentliche Bauherren / Auftraggeber dazu übergegangen, die Vorgaben und Terminprogramme aber auch Leistungsverzeichnissen in den Ausschreibungen (teilweise mit empfindlichen Konventionalstrafen verbunden) zu «straffen». Sie verlangen mit der Angebotseinreichung die vollumfängliche Bestätigung der so aufgestellten (einseitigen) Vertragsbedingungen durch die Anbieter. Dies führt dazu, dass später bei Änderungen und Verzögerungen Anbieter auf diese Bestätigung behaftet werden. (vgl. dazu der Artikel auf diesem Blog: Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Vergabestellen?
Auch wenn Vorbehalte vergaberechtlich problematisch sind, sollt es den Anbietern doch möglich sein, in berechtigten Fällen auf besondere Umstände (wie vorliegend die COVID-Situation) oder Unklarheiten im Angebot hinzuweisen und allfällige berechtigte Vorbehalte/Ergänzungen zu machen. Für die Vergabestellen bedeutet dies, dass jeder Vorbehalt sachlich auf seine Wesentlichkeit (und Berechtigung) zu prüfen ist, bevor vorschnell einen Ausschluss verfügt wird. Der Entscheid ist aber keineswegs ein Freipass oder eine allgemeine Zulassung von Vorbehalten, das Vergaberecht bleibt in dieser Hinsicht sehr strikt und formalistisch.