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Preisgewichtung: Weshalb die Unterscheidung in einfache und komplexe Leistungen nicht sachgerecht ist

Preisgewichtung: Weshalb die Unterscheidung in einfache und komplexe Leistungen nicht sachgerecht ist

25. März 2024

25. März 2024

Die Gerichte stellen, wenn es um die Beurteilung der Angemessenheit der Gewichtung des Zuschlagskriteriums Preis geht, regelmässig darauf ab, ob es sich um einfache oder komplexe Leistungen handelt. Meines Erachtens ist diese Unterscheidung nicht sachgerecht. Die Unterscheidung zwischen «einfachen» und «komplexen» Leistungen kann zumindest nicht einfach unkritisch für die Gewichtung des Preises als allein entscheidendes Kriterium herangezogen werden.


Nach der Rechtsprechung soll dem Preis ein umso grösseres Gewicht zukommen müssen, je geringer der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe sei und umgekehrt. (vgl. etwa der Kommentar auf diesem Blog zum Entscheid BGE 2C_802/2021 Urteil vom 24. November 2022). Mit der Gleichung «einfache Leistungen» = hohe Preisgewichtung, wird suggeriert, dass bei Leistungen, welche nicht schwierig bzw. nicht komplex sind, eine Vergabestelle der Qualität (und auch der Nachhaltigkeit) der Leistung weniger Gewicht beimessen soll als bei komplexen Leistungen. Dies ist unter dem Lichte von Art. 2 IVöB/BöB nicht nachvollziehbar. Weshalb soll nur bei komplexen Leistungen auf die Qualität geschaut werden?

Als Anschauungsbeispiel ein kurzer Ausflug in die Gastronomie: Setzen wir uns vor einen Teller Spaghetti Pomodoro: Die Komplexität der Zubereitung würden wohl die meisten als gering bezeichnen. Aber schaut man deswegen, wenn man eine Portion Spaghetti Pomodoro bestellt, mehr auf deren Preis und weniger auf die Qualität als bei einem komplexeren Menü? Geht man, wenn man für das Mittagessen (nur) Spaghetti essen will, in ein Restaurant, bei welchem die Qualität miserabel ist, nur weil dort die Spaghetti 5.- günstiger sind? Ich denke nicht.

Bevor nun die Chefköche sich melden und (zu Recht) monieren, dass es sich bei Spaghetti Pomodoro durchaus um eine komplexe Leistung handelt, da es riesige Unterschiede in der Qualität gebe: Ja genau, um das geht es!

Nur weil eine Leistung als «einfach», bzw. «wenig komplex» erscheint, bedeutet dies nicht automatisch, dass bei solchen Leistungen die Qualität nicht wichtig wäre. Oft ist es gerade umgekehrt. Gerade bei einfachen Leistungen machen sich Qualitätsunterschiede noch stärker bemerkbar. Dies gilt nicht nur beim vorstehenden Beispiel, sondern auch bei ganz konkreten Beschaffungsgeschäften. Ganz grundsätzlich sei die Frage erlaubt:

Weshalb soll bei einfachen Leistungen die Qualität weniger Gewicht erhalten?

Gerade im Hinblick auf den mit der Revision des Beschaffungsrechts proklamierten Paradigmenwechsel und dem verlangten Fokus auf Nachhaltigkeit lässt sich m.E. die Gleichung: «einfache Leistungen» = «hohe Gewichtung Preis» nicht mehr aufrechterhalten.

Denn auch einfache Leistungen beeinflussen die Umwelt (gerade wenn es um «einfache» Massenprodukte geht) stark. Entsprechend ist es unsachlich, bei solchen Beschaffungen dem Zuschlagskriterium Preis per se den Vorzug zu geben und die Qualität und Nachhaltigkeit nur untergeordnet zu bewerten.

Der Ansatz, dass die Angemessenheit der Preisgewichtung nach der «Einfachheit» oder «Komplexität» einer Leistung beurteilt werden soll, ist m.E. verkürzt und unsachlich: Bei der Festlegung der Gewichtung des Preises ist sind viel mehr die folgenden Fragen zu beantworten:

- Wie wichtig ist die Qualität der Leistung im Vergleich zum Preis generell? Bei dieser Frage hat die Vergabestelle ein sehr grosses Ermessen. Auch bei einfachen und nicht komplexen Leistungen müssen und sollen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen aufgestellt werden.

- Wie stark kann die Qualität (und auch die Nachhaltigkeit) der Leistung bereits über technische Spezifikationen oder den Leistungsbeschrieb definiert werden bzw. wie viel soll oder kann dem Angebotswettbewerb überlassen werden?

Je eher oder je besser die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen in einer Beschaffung über den Leistungsbeschrieb und die technischen Spezifikationen und/oder Eignungskriterien sichergestellt, bzw. definiert werden können, desto mehr rechtfertigt sich eine hohe Gewichtung des Preises. Denn in solchen Fällen besteht wenig Raum für einen Qualitätswettbewerb im Rahmen der Bewertung der Zuschlagskriterien. Eine zu hohe Gewichtung der qualitativen Zuschlagskriterien führt in solchen Fällen zu einem reinen Alibiwettbewerb und nicht zu mehr Qualität.

Das Gleiche gilt umgekehrt: Bei Leistungen, bei denen in den Angeboten wesentliche Qualitätsunterschiede zu erwarten sind, oder deren Qualität im Rahmen eines Angebotsvergleiches gut unterscheid- bzw. bewertbar ist, rechtfertigt sich ein starker Fokus und eine hohe Gewichtung auf die qualitativen Zuschlagskriterien. Dies wie vorstehend aufgezeigt, auch bei einfache(ere)n Leistungen.

Um die Gewichtung des Preises und ergo auch diejenige der qualitativen Zuschlagskriterien, (insbesondere auch der Nachhaltigkeit) im Vorfeld einer Ausschreibung festzulegen, ist somit weniger entscheidend, ob die Leistungen einfach oder komplex sind, sondern vielmehr darauf, ob aufgrund der Leistungsbeschriebs und der Spezifikationen in der Ausschreibung die Qualität (und Nachhaltigkeit) bereits genügend in der Ausschreibung vorgegeben werden kann und/oder im Rahmen der Angebotsbewertung Raum für einen Qualitätswettbewerb unter den Angeboten bleibt.

Wenn die Qualität und Nachhaltigkeit in der Ausschreibung über die Musskriterien und Spezifikationen definiert werden kann, sollte auch bei komplexen Leistungen der Preis relativ hoch gewichtet werden. Denn ein «Alibi»-Qualitäts- oder auch Nachhaltigkeitswettbewerb führt nicht zu einem vorteilhafteren Angebot i.S.v. Art. 2 IVöB / BöB.

Fazit:

1. Qualität und Nachhaltigkeit sind bei allen Leistungen wichtig, auch bei sogenannten einfachen Leistungen.

2. Qualität und Nachhaltigkeit sollen (sofern möglich) über technische Spezifikationen/Leistungsanforderungen sichergestellt werden.

3. Besteht nach der Definition/Nachhaltigkeit noch Raum für qualitative Unterschiede/Qualitätswettbewerb der Angebote, ist den qualitativen Zuschlagskriterien ein entsprechendes Gewicht einzuräumen.

Eine Ausschreibung kann trotz hoher Preisgewichtung durchaus nachhaltiger und qualitätsbezogener sein, als eine Ausschreibung mit einer tiefen Preisgewichtung. Denn entscheidend ist immer eine Betrachtung des Gesamtpakets (Leistungsverzeichnis, technische Spezifikationen, Eignungs- und Zuschlagskriterien).

Die Sicherstellung der Qualität und Nachhaltigkeit einer Beschaffung sollte wenn möglich über alle diese Bereiche einer Ausschreibung sachgerecht und zielgerichtet umgesetzt werden. Die reine Gewichtung des Preises bei den Zuschlagskriterien sagt isoliert betrachtet nichts (bzw. nicht viel) darüber aus, ob bei der betreffenden Beschaffung die Qualität und Nachhaltigkeit genügend berücksichtigt wird. Entsprechend empfehle ich, auch interne Leitfäden, welche eine gewisse Standardisierung an Gewichtungen der Qualität, Nachhaltigkeit oder des Preises vorschreiben zu überdenken. 

Die Gerichte stellen, wenn es um die Beurteilung der Angemessenheit der Gewichtung des Zuschlagskriteriums Preis geht, regelmässig darauf ab, ob es sich um einfache oder komplexe Leistungen handelt. Meines Erachtens ist diese Unterscheidung nicht sachgerecht. Die Unterscheidung zwischen «einfachen» und «komplexen» Leistungen kann zumindest nicht einfach unkritisch für die Gewichtung des Preises als allein entscheidendes Kriterium herangezogen werden.


Nach der Rechtsprechung soll dem Preis ein umso grösseres Gewicht zukommen müssen, je geringer der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe sei und umgekehrt. (vgl. etwa der Kommentar auf diesem Blog zum Entscheid BGE 2C_802/2021 Urteil vom 24. November 2022). Mit der Gleichung «einfache Leistungen» = hohe Preisgewichtung, wird suggeriert, dass bei Leistungen, welche nicht schwierig bzw. nicht komplex sind, eine Vergabestelle der Qualität (und auch der Nachhaltigkeit) der Leistung weniger Gewicht beimessen soll als bei komplexen Leistungen. Dies ist unter dem Lichte von Art. 2 IVöB/BöB nicht nachvollziehbar. Weshalb soll nur bei komplexen Leistungen auf die Qualität geschaut werden?

Als Anschauungsbeispiel ein kurzer Ausflug in die Gastronomie: Setzen wir uns vor einen Teller Spaghetti Pomodoro: Die Komplexität der Zubereitung würden wohl die meisten als gering bezeichnen. Aber schaut man deswegen, wenn man eine Portion Spaghetti Pomodoro bestellt, mehr auf deren Preis und weniger auf die Qualität als bei einem komplexeren Menü? Geht man, wenn man für das Mittagessen (nur) Spaghetti essen will, in ein Restaurant, bei welchem die Qualität miserabel ist, nur weil dort die Spaghetti 5.- günstiger sind? Ich denke nicht.

Bevor nun die Chefköche sich melden und (zu Recht) monieren, dass es sich bei Spaghetti Pomodoro durchaus um eine komplexe Leistung handelt, da es riesige Unterschiede in der Qualität gebe: Ja genau, um das geht es!

Nur weil eine Leistung als «einfach», bzw. «wenig komplex» erscheint, bedeutet dies nicht automatisch, dass bei solchen Leistungen die Qualität nicht wichtig wäre. Oft ist es gerade umgekehrt. Gerade bei einfachen Leistungen machen sich Qualitätsunterschiede noch stärker bemerkbar. Dies gilt nicht nur beim vorstehenden Beispiel, sondern auch bei ganz konkreten Beschaffungsgeschäften. Ganz grundsätzlich sei die Frage erlaubt:

Weshalb soll bei einfachen Leistungen die Qualität weniger Gewicht erhalten?

Gerade im Hinblick auf den mit der Revision des Beschaffungsrechts proklamierten Paradigmenwechsel und dem verlangten Fokus auf Nachhaltigkeit lässt sich m.E. die Gleichung: «einfache Leistungen» = «hohe Gewichtung Preis» nicht mehr aufrechterhalten.

Denn auch einfache Leistungen beeinflussen die Umwelt (gerade wenn es um «einfache» Massenprodukte geht) stark. Entsprechend ist es unsachlich, bei solchen Beschaffungen dem Zuschlagskriterium Preis per se den Vorzug zu geben und die Qualität und Nachhaltigkeit nur untergeordnet zu bewerten.

Der Ansatz, dass die Angemessenheit der Preisgewichtung nach der «Einfachheit» oder «Komplexität» einer Leistung beurteilt werden soll, ist m.E. verkürzt und unsachlich: Bei der Festlegung der Gewichtung des Preises ist sind viel mehr die folgenden Fragen zu beantworten:

- Wie wichtig ist die Qualität der Leistung im Vergleich zum Preis generell? Bei dieser Frage hat die Vergabestelle ein sehr grosses Ermessen. Auch bei einfachen und nicht komplexen Leistungen müssen und sollen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen aufgestellt werden.

- Wie stark kann die Qualität (und auch die Nachhaltigkeit) der Leistung bereits über technische Spezifikationen oder den Leistungsbeschrieb definiert werden bzw. wie viel soll oder kann dem Angebotswettbewerb überlassen werden?

Je eher oder je besser die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen in einer Beschaffung über den Leistungsbeschrieb und die technischen Spezifikationen und/oder Eignungskriterien sichergestellt, bzw. definiert werden können, desto mehr rechtfertigt sich eine hohe Gewichtung des Preises. Denn in solchen Fällen besteht wenig Raum für einen Qualitätswettbewerb im Rahmen der Bewertung der Zuschlagskriterien. Eine zu hohe Gewichtung der qualitativen Zuschlagskriterien führt in solchen Fällen zu einem reinen Alibiwettbewerb und nicht zu mehr Qualität.

Das Gleiche gilt umgekehrt: Bei Leistungen, bei denen in den Angeboten wesentliche Qualitätsunterschiede zu erwarten sind, oder deren Qualität im Rahmen eines Angebotsvergleiches gut unterscheid- bzw. bewertbar ist, rechtfertigt sich ein starker Fokus und eine hohe Gewichtung auf die qualitativen Zuschlagskriterien. Dies wie vorstehend aufgezeigt, auch bei einfache(ere)n Leistungen.

Um die Gewichtung des Preises und ergo auch diejenige der qualitativen Zuschlagskriterien, (insbesondere auch der Nachhaltigkeit) im Vorfeld einer Ausschreibung festzulegen, ist somit weniger entscheidend, ob die Leistungen einfach oder komplex sind, sondern vielmehr darauf, ob aufgrund der Leistungsbeschriebs und der Spezifikationen in der Ausschreibung die Qualität (und Nachhaltigkeit) bereits genügend in der Ausschreibung vorgegeben werden kann und/oder im Rahmen der Angebotsbewertung Raum für einen Qualitätswettbewerb unter den Angeboten bleibt.

Wenn die Qualität und Nachhaltigkeit in der Ausschreibung über die Musskriterien und Spezifikationen definiert werden kann, sollte auch bei komplexen Leistungen der Preis relativ hoch gewichtet werden. Denn ein «Alibi»-Qualitäts- oder auch Nachhaltigkeitswettbewerb führt nicht zu einem vorteilhafteren Angebot i.S.v. Art. 2 IVöB / BöB.

Fazit:

1. Qualität und Nachhaltigkeit sind bei allen Leistungen wichtig, auch bei sogenannten einfachen Leistungen.

2. Qualität und Nachhaltigkeit sollen (sofern möglich) über technische Spezifikationen/Leistungsanforderungen sichergestellt werden.

3. Besteht nach der Definition/Nachhaltigkeit noch Raum für qualitative Unterschiede/Qualitätswettbewerb der Angebote, ist den qualitativen Zuschlagskriterien ein entsprechendes Gewicht einzuräumen.

Eine Ausschreibung kann trotz hoher Preisgewichtung durchaus nachhaltiger und qualitätsbezogener sein, als eine Ausschreibung mit einer tiefen Preisgewichtung. Denn entscheidend ist immer eine Betrachtung des Gesamtpakets (Leistungsverzeichnis, technische Spezifikationen, Eignungs- und Zuschlagskriterien).

Die Sicherstellung der Qualität und Nachhaltigkeit einer Beschaffung sollte wenn möglich über alle diese Bereiche einer Ausschreibung sachgerecht und zielgerichtet umgesetzt werden. Die reine Gewichtung des Preises bei den Zuschlagskriterien sagt isoliert betrachtet nichts (bzw. nicht viel) darüber aus, ob bei der betreffenden Beschaffung die Qualität und Nachhaltigkeit genügend berücksichtigt wird. Entsprechend empfehle ich, auch interne Leitfäden, welche eine gewisse Standardisierung an Gewichtungen der Qualität, Nachhaltigkeit oder des Preises vorschreiben zu überdenken. 


lic.iur. Christoph Schärli,  Partner | Rechtsanwalt, Viadukt Recht GmbH

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