Preisgarantien bei öffentlichen Ausschreibungen – die aktuelle Situation erfordert ein Umdenken
Preisgarantien bei öffentlichen Ausschreibungen – die aktuelle Situation erfordert ein Umdenken
12. April 2022
12. April 2022
Die Entwicklungen in den vergangenen Monaten und Jahren (Covid 19/Krieg/Inflation) und die damit verbundenen Unsicherheiten zeitigt massive Auswirkungen auf Teile der Wirtschaft – insbesondere auch auf Preise für Rohstoffe, Produktions- und Herstellungskosten von diversen Materialien aber auch auf Lieferketten. Dies nachdem bereits die Corona-Pandemie den Welthandel in den vergangenen Monaten stark eingeschränkt und die Verfügbarkeit gewisser Produkte und Rohstoffe eingeschränkt hat.
Je nach Branche ist es für Unternehmen in der aktuellen Lage nicht mehr möglich, von ihren Zulieferinnen verbindliche Zusagen betreffend Preise und Lieferfristen zu erhalten. Schon gar nicht, wenn diese Produkte über einen mittelfristigen Zeithorizont nachgefragt werden.
Im Bereich des öffentlichen Beschaffungsrechts führt dies zu neuen Fragen und Herausforderungen im Umgang mit Ausschreibungsbedingungen und Angeboten.
Denn das Beschaffungsrecht und die Praxis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt, dass die Anbieter im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung verlässliche und langfristige Preise und Lieferbedingungen offerieren können. Entsprechend wird von einer Anbieterin verlangt, dass sie im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ihre Leistungen anhand eines verbindlichen Preises offeriert. Gestützt darauf wird dann die Bewertung der Angebote und den Zuschlag vorgenommen.
Wie soll nun ein Anbieter damit umgehen, wenn er in einer öffentlichen Ausschreibung ein Angebot zu einem Fixpreis mit einer Gültigkeit von mehreren Monaten (teilweise gar mit Lieferterminen im Jahre 2023) einreichen muss, jedoch von seinen Rohstofflieferanten keine verbindlichen Preise oder Lieferdaten zugesichert erhält? Will er nicht einen totalen Blindflug mit hohen Risiken antreten, muss er in seinem Angebot entsprechend darauf hinweisen und Vorbehalte anbringen.
Doch grundsätzlich lässt das Beschaffungsrecht das Einreichen von Angeboten mit Vorbehalten und entsprechenden Bedingungen nicht zu. Nach Lehre und Rechtsprechung sind Angebote, die etwa betreffend die Preisofferte Vorbehalte enthalten, ausschreibungswidrig und werden ausgeschlossen. Angebotsgültigkeitseinschränkungen unter Verweise einer Anpassung bei Abweichungen von einem gewissen Preisindex werden vergaberechtlich als (unzulässige) Resolutivbedingung mit Bezug auf die Verbindlichkeit des Angebotes betrachtet (vgl. Martin Beyeler, der Geltungsanspruch des Vergaberecht, Rz. 1938).
Diese Haltung ist in normalen Zeiten einleuchtend. Denn das Vergaberecht richtet sich stark auf die Vergleichbarkeit der Offerten aus. Wenn nun jeder Anbieter sein Angebot an gewisse Bedingungen knüpft, leidet darunter die Vergleichbarkeit. Dies gilt sowohl für Preise aber auch Lieferfristen. Bei normalen Verhältnissen können und dürfen im Rahmen eines gesunden Wettbewerbs und der Kalkulationsfreiheit diese Risiken an die Anbieter ausgelagert werden, müssen diese mit den üblichen Schwankungen umgehen können.
Die Wirtschaft und damit auch das öffentliche Beschaffungswesen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten an stabile Rohstoffpreise und Verfügbarkeiten gewöhnt. Die Ausschreibung von Leistungen zu Fixpreisen über die Dauer mehreren Jahren gar unter Ausschluss der Teuerung sind bei öffentlichen (aber auch privaten) Ausschreibungen bzw. Beschaffungen deshalb an der Tagesordnung.
Die aktuellen teilweise massiven Verwerfungen auf den Märkten und die Unsicherheiten erfordern aber ein Umdenken.
Es stellt sich die Frage, wie Vergabestellen mit dieser neuen Situation umgehen sollen. Das Risiko der unsicheren Preise weiterhin zu 100 % an die Anbieter zu überbinden und in der Offerte eine Garantie der fixen Preise auch für langfristige Beschaffungen zu verlangen, ist keine Lösung. Schreiben die Vergabestellen aktuell weiterhin Beschaffungen zu unanpassbaren Festpreisen (z.B. Pauschalpreise) aus, führt dies dazu, dass Anbieter gerade dazu gezwungen werden, ein Angebot unter Vorbehalt der Preisanpassung einzureichen (was streng genommen vergaberechtlich zu einem Ausschluss führen muss) oder aber ein Angebot einzureichen, welches die aktuell teilweise sehr massiven Kostensteigerungen und Unsicherheiten vollumfänglich einpreist.
Letzteres kann aber auch nicht im Sinne der Vergabestellen sein, zumindest nicht, wenn man die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges und einer Normalisierung der Preise nicht aufgeben will. Denn bei einem solchen Szenario würde die öffentliche Hand (falls die Preise wieder fallen) massiv zu hohe Preise bezahlen.
Angesichts der aktuell sehr unsicheren und nicht vorhersehbaren Lage müssen sowohl die Vergabestellen als auch die Anbieter daran interessiert sein, in öffentlichen Beschaffungsverfahren Modelle mit Preismechanismen zu finden, welche die Risiken der Preisvolatilität angemessen berücksichtigen und der aktuellen Unsicherheiten beidseits Rechnung tragen.
Entsprechend ist den Vergabestellen zu empfehlen, von sich aus in den Ausschreibungsbedingungen entsprechende Anpassungsmechanismen für Preise aber auch Lieferfristen vorzusehen, welche bei begründeten Fällen zum Tragen kommen und so die Risiken für beide Seiten minimieren.
Damit solche Modelle überhaupt angewendet werden können, müssen aber die Kalkulationen der Offerten entsprechende Kostenpositionen aufweisen und die Anbieter damit ein gewisses Mehr an Transparenz in ihrer Kostenkalkulation gewährleisten.
Bei Beschaffungsvorhaben in Branchen, welche den aktuellen Geschehnissen stark ausgesetzt sind, ist deshalb bei neuen Ausschreibungen ein Augenmerk darauf zu legen, von Seiten der Vergabestellen schon im Voraus klar zu definieren, wie mit den Unsicherheiten der Preiskalkulation umgegangen wird und nach welchen Grundsätzen die Anbieter zu kalkulieren haben. Dies soll den Anbietern ermöglichen, ihr Angebot transparent nach den verfügbaren Preisen und Annahmen zu kalkulieren und so die Grundlagen dafür zu schaffen, dass allenfalls später eine Anpassung wegen stark veränderten Kostengrundlagen möglich ist.
Die Entwicklungen in den vergangenen Monaten und Jahren (Covid 19/Krieg/Inflation) und die damit verbundenen Unsicherheiten zeitigt massive Auswirkungen auf Teile der Wirtschaft – insbesondere auch auf Preise für Rohstoffe, Produktions- und Herstellungskosten von diversen Materialien aber auch auf Lieferketten. Dies nachdem bereits die Corona-Pandemie den Welthandel in den vergangenen Monaten stark eingeschränkt und die Verfügbarkeit gewisser Produkte und Rohstoffe eingeschränkt hat.
Je nach Branche ist es für Unternehmen in der aktuellen Lage nicht mehr möglich, von ihren Zulieferinnen verbindliche Zusagen betreffend Preise und Lieferfristen zu erhalten. Schon gar nicht, wenn diese Produkte über einen mittelfristigen Zeithorizont nachgefragt werden.
Im Bereich des öffentlichen Beschaffungsrechts führt dies zu neuen Fragen und Herausforderungen im Umgang mit Ausschreibungsbedingungen und Angeboten.
Denn das Beschaffungsrecht und die Praxis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt, dass die Anbieter im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung verlässliche und langfristige Preise und Lieferbedingungen offerieren können. Entsprechend wird von einer Anbieterin verlangt, dass sie im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ihre Leistungen anhand eines verbindlichen Preises offeriert. Gestützt darauf wird dann die Bewertung der Angebote und den Zuschlag vorgenommen.
Wie soll nun ein Anbieter damit umgehen, wenn er in einer öffentlichen Ausschreibung ein Angebot zu einem Fixpreis mit einer Gültigkeit von mehreren Monaten (teilweise gar mit Lieferterminen im Jahre 2023) einreichen muss, jedoch von seinen Rohstofflieferanten keine verbindlichen Preise oder Lieferdaten zugesichert erhält? Will er nicht einen totalen Blindflug mit hohen Risiken antreten, muss er in seinem Angebot entsprechend darauf hinweisen und Vorbehalte anbringen.
Doch grundsätzlich lässt das Beschaffungsrecht das Einreichen von Angeboten mit Vorbehalten und entsprechenden Bedingungen nicht zu. Nach Lehre und Rechtsprechung sind Angebote, die etwa betreffend die Preisofferte Vorbehalte enthalten, ausschreibungswidrig und werden ausgeschlossen. Angebotsgültigkeitseinschränkungen unter Verweise einer Anpassung bei Abweichungen von einem gewissen Preisindex werden vergaberechtlich als (unzulässige) Resolutivbedingung mit Bezug auf die Verbindlichkeit des Angebotes betrachtet (vgl. Martin Beyeler, der Geltungsanspruch des Vergaberecht, Rz. 1938).
Diese Haltung ist in normalen Zeiten einleuchtend. Denn das Vergaberecht richtet sich stark auf die Vergleichbarkeit der Offerten aus. Wenn nun jeder Anbieter sein Angebot an gewisse Bedingungen knüpft, leidet darunter die Vergleichbarkeit. Dies gilt sowohl für Preise aber auch Lieferfristen. Bei normalen Verhältnissen können und dürfen im Rahmen eines gesunden Wettbewerbs und der Kalkulationsfreiheit diese Risiken an die Anbieter ausgelagert werden, müssen diese mit den üblichen Schwankungen umgehen können.
Die Wirtschaft und damit auch das öffentliche Beschaffungswesen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten an stabile Rohstoffpreise und Verfügbarkeiten gewöhnt. Die Ausschreibung von Leistungen zu Fixpreisen über die Dauer mehreren Jahren gar unter Ausschluss der Teuerung sind bei öffentlichen (aber auch privaten) Ausschreibungen bzw. Beschaffungen deshalb an der Tagesordnung.
Die aktuellen teilweise massiven Verwerfungen auf den Märkten und die Unsicherheiten erfordern aber ein Umdenken.
Es stellt sich die Frage, wie Vergabestellen mit dieser neuen Situation umgehen sollen. Das Risiko der unsicheren Preise weiterhin zu 100 % an die Anbieter zu überbinden und in der Offerte eine Garantie der fixen Preise auch für langfristige Beschaffungen zu verlangen, ist keine Lösung. Schreiben die Vergabestellen aktuell weiterhin Beschaffungen zu unanpassbaren Festpreisen (z.B. Pauschalpreise) aus, führt dies dazu, dass Anbieter gerade dazu gezwungen werden, ein Angebot unter Vorbehalt der Preisanpassung einzureichen (was streng genommen vergaberechtlich zu einem Ausschluss führen muss) oder aber ein Angebot einzureichen, welches die aktuell teilweise sehr massiven Kostensteigerungen und Unsicherheiten vollumfänglich einpreist.
Letzteres kann aber auch nicht im Sinne der Vergabestellen sein, zumindest nicht, wenn man die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges und einer Normalisierung der Preise nicht aufgeben will. Denn bei einem solchen Szenario würde die öffentliche Hand (falls die Preise wieder fallen) massiv zu hohe Preise bezahlen.
Angesichts der aktuell sehr unsicheren und nicht vorhersehbaren Lage müssen sowohl die Vergabestellen als auch die Anbieter daran interessiert sein, in öffentlichen Beschaffungsverfahren Modelle mit Preismechanismen zu finden, welche die Risiken der Preisvolatilität angemessen berücksichtigen und der aktuellen Unsicherheiten beidseits Rechnung tragen.
Entsprechend ist den Vergabestellen zu empfehlen, von sich aus in den Ausschreibungsbedingungen entsprechende Anpassungsmechanismen für Preise aber auch Lieferfristen vorzusehen, welche bei begründeten Fällen zum Tragen kommen und so die Risiken für beide Seiten minimieren.
Damit solche Modelle überhaupt angewendet werden können, müssen aber die Kalkulationen der Offerten entsprechende Kostenpositionen aufweisen und die Anbieter damit ein gewisses Mehr an Transparenz in ihrer Kostenkalkulation gewährleisten.
Bei Beschaffungsvorhaben in Branchen, welche den aktuellen Geschehnissen stark ausgesetzt sind, ist deshalb bei neuen Ausschreibungen ein Augenmerk darauf zu legen, von Seiten der Vergabestellen schon im Voraus klar zu definieren, wie mit den Unsicherheiten der Preiskalkulation umgegangen wird und nach welchen Grundsätzen die Anbieter zu kalkulieren haben. Dies soll den Anbietern ermöglichen, ihr Angebot transparent nach den verfügbaren Preisen und Annahmen zu kalkulieren und so die Grundlagen dafür zu schaffen, dass allenfalls später eine Anpassung wegen stark veränderten Kostengrundlagen möglich ist.