Miete – Kauf – Pacht – in welchen Fällen kommt das Vergaberecht bei Immobiliengeschäften ins Spiel ?
Miete – Kauf – Pacht – in welchen Fällen kommt das Vergaberecht bei Immobiliengeschäften ins Spiel ?
08. September 2022
08. September 2022
Für Institutionen, Gemeinden oder andere Träger öffentlicher Aufgaben, welche den Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts unterstellt sind, stellt sich immer wieder die Frage, ob ihre Immobiliengeschäfte in den sogenannten «objektiven Geltungsbereich» des Vergaberechts fallen, d.h. welche dieser Geschäfte sie nach den Regeln des Beschaffungsrechts tätigen müssen.
Grundsatz des Grundstückprivilegs:
Obwohl mit dem Kauf oder der Miete von Liegenschaften durch die öffentliche Hand ein Vertrag zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe abgeschlossen wird und damit die Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrages i.S.v. Art. 8 BöB/IVöB erfüllt wären, werden die klassischen Immobiliengeschäfte der öffentlichen Hand wie Kauf, Miete und Pacht vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen:
Reine Immobilien-/Grundstückgeschäfte fallen nicht unter das öffentliche Beschaffungsrecht, denn sie lassen keinen oder nur einen beschränkten Wettbewerb zu, kann ein bestimmtes Grundstück oder eine bestimmte Immobilie meist nur von einem Anbieter angeboten werden. Dabei ist unerheblich, ob das betreffende Grundstück oder Gebäude gekauft, gemietet, geleast oder über einen Kauf-/Rückkaufvertrag beschafft wird (sog. Grundstückprivileg Art. 10 Abs.1 lit. b BöB/IVöB). Der Raumbedarf der öffentlichen Hand hängt von einer Vielzahl von politischen, planerischen aber auch funktionalen Parametern ab, weshalb es nicht sinnvoll wäre, wenn die öffentliche Hand solche Geschäfte öffentlich ausschreiben müsste. Zudem wären in solchen Fällen wohl meist einer der Tatbestände der ausnahmsweisen Freihandvergabe erfüllt.
Nach einhelliger Lehre hat die Ausnahmeregelung von Art. 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB aber ihre Grenze im Verbot der Rechtsumgehung. Dies bedeutet, dass ein Immobiliengeschäft nicht ohne Beachtung des Vergaberechts durchgeführt werden darf, wenn damit ein dem Vergaberecht unterstelltes Beschaffungsgeschäft (etwa die Vergabe von Bauleistungen zum Bau eines Gebäudes) umgangen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche Umgehung bewusst geplant wird oder das Immobiliengeschäft rein faktisch mit einer öffentlichen Vergabe von Bauleistungen gleichgesetzt werden muss.
Mögliche Umgehungsgeschäfte beim Kauf oder der Miete von Liegenschaften.
Beauftragt eine Vergabestelle einen privaten Wettbewerbsteilnehmer mit dem Bau einer Liegenschaft, so hat sie die Vergabe dieser Bauleistungen öffentlich auszuschreiben. Wirtschaftlich erfolgt ein vergleichbarer Vorgang, wenn die Vergabestelle einen privaten Wettbewerbsteilnehmer nicht direkt mit den Bauleistungen beauftragt, aber ein Geschäft abschliesst, welches einem solchen Bauauftrag gleichkommt. Dies kann etwa das Modell sein, in dem die Vergabestelle für das nach ihren Vorgaben/Bedürfnissen zu erstellenden Gebäude auf einem bestimmten Grundstück einen langfristigen Pachtvertrag abschliesst, der Private als Investor somit einen Bau mit der Verpflichtung / Sicherheit erstellt, diesen zu im Voraus festgelegten Konditionen der Vergabestelle für deren Nutzung zu verpachten.
Dem Vergaberecht unterstellt und nicht von der Ausnahmeklausel in Art. 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB mitumfasst sind damit Geschäfte, welche bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung einem Bauauftrag und damit einer öffentlichen Beschaffung nahe – oder sogar gleich – kommen. Dabei ist jeweils zu prüfen, ob die Vergabestelle substantiellen Einfluss auf die Ausgestaltung, Planung und/oder Auswahl der Vertragspartner des Bauherrn hat und der Bauherr und spätere Verkäufer/Vermieter/Verpächter die geschäftsüblichen Risiken und Verantwortung für die Erstellung vollauf trägt oder diese auf die Vergabestelle verschoben werden.
Ein klassisches Umgehungsgeschäft würde etwa dann vorliegen, wenn die Vergabestelle ein bestimmtes Gebäude für die Erfüllung ihrer (öffentlichen) Aufgabe benötigt, sich das Grundstück mittels Kauf oder Baurecht sichert und dann von einem Investor nach ihren Vorgaben und Bedingungen erstellen lässt und nach der Erstellung mietet/pachtet oder kauft. Aus vergaberechtlicher Sicht macht es keinen Unterschied, ob die Vergabestelle das betreffende Gebäude durch eine Bauunternehmung erstellen lässt (Werkvertrag) oder das Gebäude auf einem privaten Grundstück nach ihren Vorgaben durch einen Investor erstellen lässt und diesem garantiert, das Gebäude diese nach dessen Erstellung abzukaufen oder die Liegenschaft nach deren Erstellung über eine längere Dauer zu im Voraus garantierten Konditionen zu mieten oder zu pachten. Bei all diesen Konstellationen lässt sich die Vergabestelle ein Gebäude für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben durch private Wettbewerbsteilnehmer erstellen. Ob diese Leistungen mittels Werkvertrag, Kaufvertrag oder Miet-/Pachtvertrag bezogen werden, muss für die vergaberechtliche Beurteilung unerheblich sein. Folgende Merkmale können auf ein Umgehungsgeschäft hindeuten:
- Die Immobilie besteht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses/Zusammenarbeit noch nicht bzw. ist noch nicht fertiggestellt;
- Das Konzept und die Ausgestaltung der Liegenschaft wird massgeblich durch die Vergabestelle/öffentliche Auftraggeberin mitbestimmt, bzw. auf deren Bedürfnisse zugeschnitten;
- Der private Investor ist vertraglich vor der Erstellung abgesichert, bzw. hat die Garantie, dass er das von ihm erstellte Gebäude später ertragswirksam bzw. gewinnbringend an die Vergabestelle verkaufen oder vermieten kann (garantierte Amortisation der Kosten, kein Leerstandrisiko, garantierter Gewinn für gewisse Dauer, Defizitgarantie, langer Mietvertrag mit festgelegten Mieten, etc.).
Die Abgrenzung wann in solchen Konstellationen der Ausnahmetatbestand von § 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB nicht greift, ist fallbezogen vorzunehmen. So geht die Lehre davon aus, dass Bauleistungen für kleinere Anpassungen von Arbeitsplätzen oder andere geringfügige bauliche Massnahmen, welche ein privater Vermieter im Hinblick auf eine Vermietung von Büroräumlichkeiten an das Gemeinwesen vornehmen lässt, nicht öffentlich auszuschreiben sind. Wird jedoch ein Rohbau nach Wünschen und Vorgaben des Gemeinwesens ausgebaut, wären diese Leistungen unabhängig davon, ob sie das Gemeinwesen selber oder über den privaten Vermieter beauftragt werden, öffentlich auszuschreiben, da diese zumindest indirekt über entsprechend ausgehandelte Mietzinse durch das Gemeinwesen finanziert werden. Wenn der Private somit quasi einfach als «Durchlauferhitzer» einer Beschaffung dient und einen Bau im Auftrag und unter Abgeltung (egal auf welcher vertraglicher Basis) sowie (teilweise) Übernahme der wirtschaftlichen Risiken durch die Vergabestelle ausführt, sind die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben getätigten Beschaffungen nach den vergaberechtlichen Vorschriften umzusetzen.
Fazit:
Grundsätzlich ist die Miete/Pacht aber auch der Kauf von Liegenschaften vom objektiven Geltungsbereich des öffentlichen Beschaffungsrechts ausgenommen. Dies gilt aber nicht für Rechtsgeschäfte, die so ausgestaltet sind, dass sie faktisch einem Bauauftrag an einen privaten Wettbewerbsteilnehmer gleichkommen. Die Abgrenzung, wann eine solche Konstellation vorliegt, ist aber komplex, und kann nur im Einzelfall abschliessend vorgenommen werden.
Für Institutionen, Gemeinden oder andere Träger öffentlicher Aufgaben, welche den Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts unterstellt sind, stellt sich immer wieder die Frage, ob ihre Immobiliengeschäfte in den sogenannten «objektiven Geltungsbereich» des Vergaberechts fallen, d.h. welche dieser Geschäfte sie nach den Regeln des Beschaffungsrechts tätigen müssen.
Grundsatz des Grundstückprivilegs:
Obwohl mit dem Kauf oder der Miete von Liegenschaften durch die öffentliche Hand ein Vertrag zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe abgeschlossen wird und damit die Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrages i.S.v. Art. 8 BöB/IVöB erfüllt wären, werden die klassischen Immobiliengeschäfte der öffentlichen Hand wie Kauf, Miete und Pacht vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen:
Reine Immobilien-/Grundstückgeschäfte fallen nicht unter das öffentliche Beschaffungsrecht, denn sie lassen keinen oder nur einen beschränkten Wettbewerb zu, kann ein bestimmtes Grundstück oder eine bestimmte Immobilie meist nur von einem Anbieter angeboten werden. Dabei ist unerheblich, ob das betreffende Grundstück oder Gebäude gekauft, gemietet, geleast oder über einen Kauf-/Rückkaufvertrag beschafft wird (sog. Grundstückprivileg Art. 10 Abs.1 lit. b BöB/IVöB). Der Raumbedarf der öffentlichen Hand hängt von einer Vielzahl von politischen, planerischen aber auch funktionalen Parametern ab, weshalb es nicht sinnvoll wäre, wenn die öffentliche Hand solche Geschäfte öffentlich ausschreiben müsste. Zudem wären in solchen Fällen wohl meist einer der Tatbestände der ausnahmsweisen Freihandvergabe erfüllt.
Nach einhelliger Lehre hat die Ausnahmeregelung von Art. 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB aber ihre Grenze im Verbot der Rechtsumgehung. Dies bedeutet, dass ein Immobiliengeschäft nicht ohne Beachtung des Vergaberechts durchgeführt werden darf, wenn damit ein dem Vergaberecht unterstelltes Beschaffungsgeschäft (etwa die Vergabe von Bauleistungen zum Bau eines Gebäudes) umgangen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche Umgehung bewusst geplant wird oder das Immobiliengeschäft rein faktisch mit einer öffentlichen Vergabe von Bauleistungen gleichgesetzt werden muss.
Mögliche Umgehungsgeschäfte beim Kauf oder der Miete von Liegenschaften.
Beauftragt eine Vergabestelle einen privaten Wettbewerbsteilnehmer mit dem Bau einer Liegenschaft, so hat sie die Vergabe dieser Bauleistungen öffentlich auszuschreiben. Wirtschaftlich erfolgt ein vergleichbarer Vorgang, wenn die Vergabestelle einen privaten Wettbewerbsteilnehmer nicht direkt mit den Bauleistungen beauftragt, aber ein Geschäft abschliesst, welches einem solchen Bauauftrag gleichkommt. Dies kann etwa das Modell sein, in dem die Vergabestelle für das nach ihren Vorgaben/Bedürfnissen zu erstellenden Gebäude auf einem bestimmten Grundstück einen langfristigen Pachtvertrag abschliesst, der Private als Investor somit einen Bau mit der Verpflichtung / Sicherheit erstellt, diesen zu im Voraus festgelegten Konditionen der Vergabestelle für deren Nutzung zu verpachten.
Dem Vergaberecht unterstellt und nicht von der Ausnahmeklausel in Art. 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB mitumfasst sind damit Geschäfte, welche bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung einem Bauauftrag und damit einer öffentlichen Beschaffung nahe – oder sogar gleich – kommen. Dabei ist jeweils zu prüfen, ob die Vergabestelle substantiellen Einfluss auf die Ausgestaltung, Planung und/oder Auswahl der Vertragspartner des Bauherrn hat und der Bauherr und spätere Verkäufer/Vermieter/Verpächter die geschäftsüblichen Risiken und Verantwortung für die Erstellung vollauf trägt oder diese auf die Vergabestelle verschoben werden.
Ein klassisches Umgehungsgeschäft würde etwa dann vorliegen, wenn die Vergabestelle ein bestimmtes Gebäude für die Erfüllung ihrer (öffentlichen) Aufgabe benötigt, sich das Grundstück mittels Kauf oder Baurecht sichert und dann von einem Investor nach ihren Vorgaben und Bedingungen erstellen lässt und nach der Erstellung mietet/pachtet oder kauft. Aus vergaberechtlicher Sicht macht es keinen Unterschied, ob die Vergabestelle das betreffende Gebäude durch eine Bauunternehmung erstellen lässt (Werkvertrag) oder das Gebäude auf einem privaten Grundstück nach ihren Vorgaben durch einen Investor erstellen lässt und diesem garantiert, das Gebäude diese nach dessen Erstellung abzukaufen oder die Liegenschaft nach deren Erstellung über eine längere Dauer zu im Voraus garantierten Konditionen zu mieten oder zu pachten. Bei all diesen Konstellationen lässt sich die Vergabestelle ein Gebäude für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben durch private Wettbewerbsteilnehmer erstellen. Ob diese Leistungen mittels Werkvertrag, Kaufvertrag oder Miet-/Pachtvertrag bezogen werden, muss für die vergaberechtliche Beurteilung unerheblich sein. Folgende Merkmale können auf ein Umgehungsgeschäft hindeuten:
- Die Immobilie besteht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses/Zusammenarbeit noch nicht bzw. ist noch nicht fertiggestellt;
- Das Konzept und die Ausgestaltung der Liegenschaft wird massgeblich durch die Vergabestelle/öffentliche Auftraggeberin mitbestimmt, bzw. auf deren Bedürfnisse zugeschnitten;
- Der private Investor ist vertraglich vor der Erstellung abgesichert, bzw. hat die Garantie, dass er das von ihm erstellte Gebäude später ertragswirksam bzw. gewinnbringend an die Vergabestelle verkaufen oder vermieten kann (garantierte Amortisation der Kosten, kein Leerstandrisiko, garantierter Gewinn für gewisse Dauer, Defizitgarantie, langer Mietvertrag mit festgelegten Mieten, etc.).
Die Abgrenzung wann in solchen Konstellationen der Ausnahmetatbestand von § 10 Abs. 1 lit. b BöB/IVöB nicht greift, ist fallbezogen vorzunehmen. So geht die Lehre davon aus, dass Bauleistungen für kleinere Anpassungen von Arbeitsplätzen oder andere geringfügige bauliche Massnahmen, welche ein privater Vermieter im Hinblick auf eine Vermietung von Büroräumlichkeiten an das Gemeinwesen vornehmen lässt, nicht öffentlich auszuschreiben sind. Wird jedoch ein Rohbau nach Wünschen und Vorgaben des Gemeinwesens ausgebaut, wären diese Leistungen unabhängig davon, ob sie das Gemeinwesen selber oder über den privaten Vermieter beauftragt werden, öffentlich auszuschreiben, da diese zumindest indirekt über entsprechend ausgehandelte Mietzinse durch das Gemeinwesen finanziert werden. Wenn der Private somit quasi einfach als «Durchlauferhitzer» einer Beschaffung dient und einen Bau im Auftrag und unter Abgeltung (egal auf welcher vertraglicher Basis) sowie (teilweise) Übernahme der wirtschaftlichen Risiken durch die Vergabestelle ausführt, sind die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben getätigten Beschaffungen nach den vergaberechtlichen Vorschriften umzusetzen.
Fazit:
Grundsätzlich ist die Miete/Pacht aber auch der Kauf von Liegenschaften vom objektiven Geltungsbereich des öffentlichen Beschaffungsrechts ausgenommen. Dies gilt aber nicht für Rechtsgeschäfte, die so ausgestaltet sind, dass sie faktisch einem Bauauftrag an einen privaten Wettbewerbsteilnehmer gleichkommen. Die Abgrenzung, wann eine solche Konstellation vorliegt, ist aber komplex, und kann nur im Einzelfall abschliessend vorgenommen werden.