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Die Mehrwertsteuer bei der Preisbewertung

Die Mehrwertsteuer bei der Preisbewertung

04. Mai 2023

04. Mai 2023

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat mit seinem Beschluss vom 15. März 2023 Klarheit in der Frage geschaffen, wie bei der Preisbewertung bei Vorliegen eines mehrwertsteuerbefreiten Angebotes umzugehen ist. Mit dem Entscheid, dass die Angebotspreise immer unter Einschluss einer (allfälligen) Mehrwertsteuer zu bewerten sind, weicht er von einem in jüngerer Vergangenheit ergangenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau ab – meines Erachtens zu Recht:


Ausgangslage:

Meistens ist die Mehrwertsteuer beim Angebotsvergleich kein Thema. Unterstehen alle Angebote der Mehrwertsteuer, ist diese «bewertungsneutral». Anders ist es aber, wenn einzelne Angebote von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind.

Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) nimmt Leistungen, welche zwischen den Organisationseinheiten des gleichen Gemeinwesens oder aber zwischen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesellschaften, an denen ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind und den an der Gesellschaft beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten, erbracht werden, von der Mehrwertsteuer aus. Gleiches gilt für Leistungen zwischen Anstalten oder Stiftungen, die ausschliesslich von Gemeinwesen gegründet wurden und den an der Gründung beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten.

Liegt bei einer öffentlichen Ausschreibung neben mehrwertsteuerpflichtigen Angeboten auch ein solches vor, welches aufgrund Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 MWSTG von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, stellt sich die Frage, welcher Angebotspreis beim Preisvergleich zu berücksichtigen ist?

Grundsätzlich gäbe es drei Möglichkeiten:

  1. alle Angebote werden ohne Mehrwertsteuer verglichen;
  2. bei einem Angebot, das von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, wird diese für den Preisvergleich fiktiv dazugerechnet;
  3. Die Angebote werden so, wie sie effektiv in Rechnung gestellt würden (d.h. die mehrwertsteuerpflichtigen mit, die anderen ohne MWST-Zuschlag) bewertet.

Das Beschaffungsrecht regelt nicht explizit, ob bei der Preisbewertung der Preis mit oder ohne Mehrwertsteuer zu bewerten ist. Der Kanton Zürich nahm diese kontrovers diskutierbare Frage zum Anlass, eine breit abgestimmte Vorgehensweise zu erreichen. Nach eingehender Prüfung liegt nun der Entscheid vor:

Entscheid des Regierungsrates Zürich:

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat per Regierungsratsbeschluss Nr. 298/2023 vom 15. März 2023 entschieden, dass künftig bei kantonalen Ausschreibungsverfahren die Preise unter Einschluss der Mehrwertsteuerbelastung zu bewerten sind. Somit entschied er sich für Variante 3.

Der Regierungsrat begründet dies damit, dass nicht erklärbar sei, weshalb die Mehrwertsteuer in einem Vergabeverfahren neutralisiert werden solle, andere steuerliche Privilegierungen und Subventionen dagegen nicht. Es könne nicht Aufgabe der öffentlichen Auftraggebenden sein, gesetzlich begründete Wettbewerbsverzerrungen zu korrigieren. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb auf eine im Mehrwertsteuerrecht explizit verankerte Befreiung zugunsten der Kantone verzichtet werden sollte, unter der Annahme, dass eine Gleichbehandlung aufgrund des Rechtsgebiets des Submissionsrechts anzustreben sei, und dadurch die gesetzlich gewollte Mehrwertsteuerbefreiung faktisch verunmöglicht würde. Im Ergebnis sollen für die Bewertung der Preise bei allen Anbietenden die Gesamtbeträge massgeblich sein, die von der Vergabestelle effektiv zu bezahlen sind. Es werden keine zusätzlichen Kalkulationen durchgeführt.

Um die vom eidgenössischen Gesetzgeber gewollte Privilegierung gewisser Leistungen oder Anbieter nicht zu unterlaufen, seien die tatsächlich von den Auftraggebenden zu tragenden Kosten unter Einschluss einer allfälligen Mehrwertsteuer zu vergleichen. Der Regierungsrat weist entsprechend seine Direktionen und die Staatskanzlei an, bei Ausschreibungen die Preise unter Einschluss einer allfälligen Mehrwertsteuer zu bewerten und dies in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich bekanntzugeben, um gegenüber den Anbietenden Transparenz und damit Rechtssicherheit zu schaffen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau:

Der Regierungsrat des Kantons Zürich nimmt damit eine andere Haltung in dieser Frage ein, als das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Dieses hiess im Entscheid WBE.2021.291 (Urteil vom 26. November 2021) eine Beschwerde gegen einen Vergabeentscheid gut, welche genau diese Frage zum Gegenstand hatte. Die Vergabestelle erteilte im jenen Fall bei einer Beschaffung von Holzschnitzellieferung den Zuschlag aufgrund des Preises an einen Forstbetrieb der gestützt auf Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 lit. b MWSTG für Lieferungen an die Vergabestelle von der Mehrwertsteuer ausgenommen war. Bei einem Preisvergleich der Angebotspreise ohne Mehrwertsteuer, wäre das Angebot der Mitbewerberin (welche der Mehrwertsteuer unterstand) auf Rang 1 der Bewertung gelandet.

Das Verwaltungsgericht Aargau hiesse eine gegen den Zuschlag erhobene Beschwerde gut und entschied (anders als nun der Regierungsrat des Kantons Zürich), dass bei Vorliegen einer solchen Konstellation für die Bewertung bzw. den Preisvergleich die Preise bei allen Angeboten ohne Mehrwertsteuer zu vergleichen seien. Da die Vergabestelle aber die Angebote der anderen Anbieter mit Mehrwertsteuer mit dem Angebot der Zuschlagsempfängerin, welches von der Mehrwertsteuer ausgenommen war, verglichen habe, sei eine Ungleichbehandlung der Anbieter erfolgt, was vergaberechtlich unzulässig sei. Bei der Ermittlung des wirtschaftliche günstigsten/vorteilhaftesten Angebots müsse die Mehrwertsteuer jedenfalls immer dann ausser Acht gelassen werden, wenn ihr nicht alle Anbieter bzw. nicht alle Leistungen in gleicher Weise unterstehen. In solchen Fällen sei der Angebotspreis, um dem Gleichbehandlungsgebot Nachachtung zu verschaffen, ohne die gesetzliche Mehrwertsteuer zu bewerten (vgl. Erwägung 3.3.2 WBE.2021.291)

Einschätzung/Kommentar:

Meines Erachtens ist der Entscheid des Regierungsrates Zürich richtig.

Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass gesetzlich gewollte Ungleichbehandlungen auszugleichen sind.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Vergaberechts bezieht sich «nur» (aber immerhin) auf das Ausschreibungsverfahren. D.h. dass eben alle Anbieter/innen im Verfahren gleich zu behandeln sind (gleiche Fristen, gleiche Anwendung der Kriterien etc.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz geht aber nicht so weit, dass im Vergabeverfahren beim Preisvergleich allfällige gesetzlich oder auch faktische wirtschaftliche, steuerliche und politische Vor-bzw. Nachteile unter den Anbieter/innen auszugleichen wären. Wenn somit das Mehrwertsteuergesetz gewisse Leistungen zwischen Anbieter und Vergabestellen von der Mehrwertsteuer ausnimmt, so ist und kann es nicht die Aufgabe des Ausschreibungsverfahrens sein, dies wieder zu korrigieren. Ob diese mehrwertsteuerliche Ungleichbehandlung von Gewerbegenossen und Konkurrenten gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage. Diese Frage ist aber auf Ebene der Mehrwertsteuergesetzgebung zu klären.

Verzicht auf Mitbewertung der Mehrwertsteuer führt zudem auch zu einer «umgekehrten» Ungleichbehandlung.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargaus hat m.E. zudem in der Begründung des obgenannten Entscheides etwas Relevantes ausser Acht gelassen: Denn die Praxis, in solchen Konstellationen beim Preisvergleich der Angebote die Mehrwertsteuer nicht zu berücksichtigen, führt ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung – einfach in die andere Richtung.  Denn eine Unternehmung kann für Leistungen und Umsätze, welche gestützt auf Art. 21 MWSTG von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. So werden zwar durch die Mehrwertsteuerbefreiung ihre Eigenleistungen günstiger, die dafür eingekauften Fremdleistungen aber teurer, da sie dafür keine Vorsteuer abziehen kann.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch ein Vergleich der Nettopreise hinkt, denn beim mehrwertsteuerbefreiten Angebot müssten (um die Angebote gleich zu behandeln) die nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuerkosten auf die dafür eingekauften Fremdleistungen einkalkuliert werden. Denn um (bei hypothetisch gleichen Gestehungskosten) die gleiche Marge zu erreichen, muss eine steuerbefreite Anbieterin einen höheren Nettopreis offerieren, als die mehrwertsteuerpflichtige Anbieterin, da diese die für die eingekauften Fremdleistungen bezahlte Mehrwertsteuer mit dem Vorsteuerabzug abziehen kann. (Mehrwertsteuerexperten bitte diese steuerrechtliche Laienaussage korrigieren, falls dies nicht zutrifft!).

Somit führt die im Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau angewendete Praxis ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung. Denn ein Vergleich des «Nettopreises» eines mehrwertsteuerpflichtigen Angebotes mit dem Bruttopreis eines mehrwertsteuerfreien Angebotes ist m.E. nicht sachgerecht.

Vor diesem Hintergrund erachte ich den Entscheid des Regierungsrates Zürich, bei Angebotsvergleichen die Preise immer mit den effektiven Kosten (und damit auch einer allfälligen Mehrwertsteuer) zu bewerten, als rechtlich korrekte Lösung.

Das Vergaberecht ist nicht dazu da, wirtschaftspolitische Ungleichgewichte zu beseitigen.

Der Wirtschaftlichkeit – und auch Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass bei einem Preisvergleich die effektiven Preise und damit diejenigen Kosten, welche der Vergabestelle effektiv entstehen, zu bewerten und zu vergleichen sind. Mit Recht stellt der Regierungsrat des Kantons Zürich fest, dass ansonsten auch Subventionen und andere Vorteile von gewissen Anbietern ausgeglichen werden müssten. Gleichbehandlung der Anbieter bedeutet, dass diese im Verfahren gleich zu behandeln sind, nicht aber, dass diese auf wirtschaftlich gleiche Bedingungen zu stellen sind. So haben verschiedene Anbieter je nach Standort und Organisationsform auch andere Steuerbelastungen, andere Transportkosten etc.  

Einmal mehr zeigt sich, dass das Vergaberecht oft als «Vehikel» herhalten soll, gesetzgeberische aber auch sozialpolitische Missstände auszugleichen. Bestehen solche «Missstände» (wie eine steuerliche Ungleichbehandlung derselben Leistungen von Konkurrentinnen) muss man diese aber auf der entsprechenden Ebene / Gesetz anpacken. Solche Wettbewerbsverzerrungen erst auf der Ebene Vergabeverfahren lösen zu wollen, ist unsachlich und führt zu willkürlichen Ergebnissen. Denn die Ungleichbehandlung entsteht nicht erst (und auch nicht nur) im Vergabeverfahren. Das öffentliche Beschaffungsverfahren ist quasi nur das Brennglas, unter welchem diese Ungleichbehandlung von Wettbewerbern sichtbar wird.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat mit seinem Beschluss vom 15. März 2023 Klarheit in der Frage geschaffen, wie bei der Preisbewertung bei Vorliegen eines mehrwertsteuerbefreiten Angebotes umzugehen ist. Mit dem Entscheid, dass die Angebotspreise immer unter Einschluss einer (allfälligen) Mehrwertsteuer zu bewerten sind, weicht er von einem in jüngerer Vergangenheit ergangenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau ab – meines Erachtens zu Recht:


Ausgangslage:

Meistens ist die Mehrwertsteuer beim Angebotsvergleich kein Thema. Unterstehen alle Angebote der Mehrwertsteuer, ist diese «bewertungsneutral». Anders ist es aber, wenn einzelne Angebote von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind.

Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) nimmt Leistungen, welche zwischen den Organisationseinheiten des gleichen Gemeinwesens oder aber zwischen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesellschaften, an denen ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt sind und den an der Gesellschaft beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten, erbracht werden, von der Mehrwertsteuer aus. Gleiches gilt für Leistungen zwischen Anstalten oder Stiftungen, die ausschliesslich von Gemeinwesen gegründet wurden und den an der Gründung beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten.

Liegt bei einer öffentlichen Ausschreibung neben mehrwertsteuerpflichtigen Angeboten auch ein solches vor, welches aufgrund Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 MWSTG von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, stellt sich die Frage, welcher Angebotspreis beim Preisvergleich zu berücksichtigen ist?

Grundsätzlich gäbe es drei Möglichkeiten:

  1. alle Angebote werden ohne Mehrwertsteuer verglichen;
  2. bei einem Angebot, das von der Mehrwertsteuer ausgenommen ist, wird diese für den Preisvergleich fiktiv dazugerechnet;
  3. Die Angebote werden so, wie sie effektiv in Rechnung gestellt würden (d.h. die mehrwertsteuerpflichtigen mit, die anderen ohne MWST-Zuschlag) bewertet.

Das Beschaffungsrecht regelt nicht explizit, ob bei der Preisbewertung der Preis mit oder ohne Mehrwertsteuer zu bewerten ist. Der Kanton Zürich nahm diese kontrovers diskutierbare Frage zum Anlass, eine breit abgestimmte Vorgehensweise zu erreichen. Nach eingehender Prüfung liegt nun der Entscheid vor:

Entscheid des Regierungsrates Zürich:

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat per Regierungsratsbeschluss Nr. 298/2023 vom 15. März 2023 entschieden, dass künftig bei kantonalen Ausschreibungsverfahren die Preise unter Einschluss der Mehrwertsteuerbelastung zu bewerten sind. Somit entschied er sich für Variante 3.

Der Regierungsrat begründet dies damit, dass nicht erklärbar sei, weshalb die Mehrwertsteuer in einem Vergabeverfahren neutralisiert werden solle, andere steuerliche Privilegierungen und Subventionen dagegen nicht. Es könne nicht Aufgabe der öffentlichen Auftraggebenden sein, gesetzlich begründete Wettbewerbsverzerrungen zu korrigieren. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb auf eine im Mehrwertsteuerrecht explizit verankerte Befreiung zugunsten der Kantone verzichtet werden sollte, unter der Annahme, dass eine Gleichbehandlung aufgrund des Rechtsgebiets des Submissionsrechts anzustreben sei, und dadurch die gesetzlich gewollte Mehrwertsteuerbefreiung faktisch verunmöglicht würde. Im Ergebnis sollen für die Bewertung der Preise bei allen Anbietenden die Gesamtbeträge massgeblich sein, die von der Vergabestelle effektiv zu bezahlen sind. Es werden keine zusätzlichen Kalkulationen durchgeführt.

Um die vom eidgenössischen Gesetzgeber gewollte Privilegierung gewisser Leistungen oder Anbieter nicht zu unterlaufen, seien die tatsächlich von den Auftraggebenden zu tragenden Kosten unter Einschluss einer allfälligen Mehrwertsteuer zu vergleichen. Der Regierungsrat weist entsprechend seine Direktionen und die Staatskanzlei an, bei Ausschreibungen die Preise unter Einschluss einer allfälligen Mehrwertsteuer zu bewerten und dies in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich bekanntzugeben, um gegenüber den Anbietenden Transparenz und damit Rechtssicherheit zu schaffen.

Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau:

Der Regierungsrat des Kantons Zürich nimmt damit eine andere Haltung in dieser Frage ein, als das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Dieses hiess im Entscheid WBE.2021.291 (Urteil vom 26. November 2021) eine Beschwerde gegen einen Vergabeentscheid gut, welche genau diese Frage zum Gegenstand hatte. Die Vergabestelle erteilte im jenen Fall bei einer Beschaffung von Holzschnitzellieferung den Zuschlag aufgrund des Preises an einen Forstbetrieb der gestützt auf Art. 21 Abs. 2 Ziff. 28 lit. b MWSTG für Lieferungen an die Vergabestelle von der Mehrwertsteuer ausgenommen war. Bei einem Preisvergleich der Angebotspreise ohne Mehrwertsteuer, wäre das Angebot der Mitbewerberin (welche der Mehrwertsteuer unterstand) auf Rang 1 der Bewertung gelandet.

Das Verwaltungsgericht Aargau hiesse eine gegen den Zuschlag erhobene Beschwerde gut und entschied (anders als nun der Regierungsrat des Kantons Zürich), dass bei Vorliegen einer solchen Konstellation für die Bewertung bzw. den Preisvergleich die Preise bei allen Angeboten ohne Mehrwertsteuer zu vergleichen seien. Da die Vergabestelle aber die Angebote der anderen Anbieter mit Mehrwertsteuer mit dem Angebot der Zuschlagsempfängerin, welches von der Mehrwertsteuer ausgenommen war, verglichen habe, sei eine Ungleichbehandlung der Anbieter erfolgt, was vergaberechtlich unzulässig sei. Bei der Ermittlung des wirtschaftliche günstigsten/vorteilhaftesten Angebots müsse die Mehrwertsteuer jedenfalls immer dann ausser Acht gelassen werden, wenn ihr nicht alle Anbieter bzw. nicht alle Leistungen in gleicher Weise unterstehen. In solchen Fällen sei der Angebotspreis, um dem Gleichbehandlungsgebot Nachachtung zu verschaffen, ohne die gesetzliche Mehrwertsteuer zu bewerten (vgl. Erwägung 3.3.2 WBE.2021.291)

Einschätzung/Kommentar:

Meines Erachtens ist der Entscheid des Regierungsrates Zürich richtig.

Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass gesetzlich gewollte Ungleichbehandlungen auszugleichen sind.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Vergaberechts bezieht sich «nur» (aber immerhin) auf das Ausschreibungsverfahren. D.h. dass eben alle Anbieter/innen im Verfahren gleich zu behandeln sind (gleiche Fristen, gleiche Anwendung der Kriterien etc.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz geht aber nicht so weit, dass im Vergabeverfahren beim Preisvergleich allfällige gesetzlich oder auch faktische wirtschaftliche, steuerliche und politische Vor-bzw. Nachteile unter den Anbieter/innen auszugleichen wären. Wenn somit das Mehrwertsteuergesetz gewisse Leistungen zwischen Anbieter und Vergabestellen von der Mehrwertsteuer ausnimmt, so ist und kann es nicht die Aufgabe des Ausschreibungsverfahrens sein, dies wieder zu korrigieren. Ob diese mehrwertsteuerliche Ungleichbehandlung von Gewerbegenossen und Konkurrenten gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage. Diese Frage ist aber auf Ebene der Mehrwertsteuergesetzgebung zu klären.

Verzicht auf Mitbewertung der Mehrwertsteuer führt zudem auch zu einer «umgekehrten» Ungleichbehandlung.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargaus hat m.E. zudem in der Begründung des obgenannten Entscheides etwas Relevantes ausser Acht gelassen: Denn die Praxis, in solchen Konstellationen beim Preisvergleich der Angebote die Mehrwertsteuer nicht zu berücksichtigen, führt ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung – einfach in die andere Richtung.  Denn eine Unternehmung kann für Leistungen und Umsätze, welche gestützt auf Art. 21 MWSTG von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. So werden zwar durch die Mehrwertsteuerbefreiung ihre Eigenleistungen günstiger, die dafür eingekauften Fremdleistungen aber teurer, da sie dafür keine Vorsteuer abziehen kann.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch ein Vergleich der Nettopreise hinkt, denn beim mehrwertsteuerbefreiten Angebot müssten (um die Angebote gleich zu behandeln) die nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuerkosten auf die dafür eingekauften Fremdleistungen einkalkuliert werden. Denn um (bei hypothetisch gleichen Gestehungskosten) die gleiche Marge zu erreichen, muss eine steuerbefreite Anbieterin einen höheren Nettopreis offerieren, als die mehrwertsteuerpflichtige Anbieterin, da diese die für die eingekauften Fremdleistungen bezahlte Mehrwertsteuer mit dem Vorsteuerabzug abziehen kann. (Mehrwertsteuerexperten bitte diese steuerrechtliche Laienaussage korrigieren, falls dies nicht zutrifft!).

Somit führt die im Entscheid des Verwaltungsgerichts Aargau angewendete Praxis ebenfalls zu einer Ungleichbehandlung. Denn ein Vergleich des «Nettopreises» eines mehrwertsteuerpflichtigen Angebotes mit dem Bruttopreis eines mehrwertsteuerfreien Angebotes ist m.E. nicht sachgerecht.

Vor diesem Hintergrund erachte ich den Entscheid des Regierungsrates Zürich, bei Angebotsvergleichen die Preise immer mit den effektiven Kosten (und damit auch einer allfälligen Mehrwertsteuer) zu bewerten, als rechtlich korrekte Lösung.

Das Vergaberecht ist nicht dazu da, wirtschaftspolitische Ungleichgewichte zu beseitigen.

Der Wirtschaftlichkeit – und auch Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass bei einem Preisvergleich die effektiven Preise und damit diejenigen Kosten, welche der Vergabestelle effektiv entstehen, zu bewerten und zu vergleichen sind. Mit Recht stellt der Regierungsrat des Kantons Zürich fest, dass ansonsten auch Subventionen und andere Vorteile von gewissen Anbietern ausgeglichen werden müssten. Gleichbehandlung der Anbieter bedeutet, dass diese im Verfahren gleich zu behandeln sind, nicht aber, dass diese auf wirtschaftlich gleiche Bedingungen zu stellen sind. So haben verschiedene Anbieter je nach Standort und Organisationsform auch andere Steuerbelastungen, andere Transportkosten etc.  

Einmal mehr zeigt sich, dass das Vergaberecht oft als «Vehikel» herhalten soll, gesetzgeberische aber auch sozialpolitische Missstände auszugleichen. Bestehen solche «Missstände» (wie eine steuerliche Ungleichbehandlung derselben Leistungen von Konkurrentinnen) muss man diese aber auf der entsprechenden Ebene / Gesetz anpacken. Solche Wettbewerbsverzerrungen erst auf der Ebene Vergabeverfahren lösen zu wollen, ist unsachlich und führt zu willkürlichen Ergebnissen. Denn die Ungleichbehandlung entsteht nicht erst (und auch nicht nur) im Vergabeverfahren. Das öffentliche Beschaffungsverfahren ist quasi nur das Brennglas, unter welchem diese Ungleichbehandlung von Wettbewerbern sichtbar wird.


lic.iur. Christoph Schärli,  Partner | Rechtsanwalt, Viadukt Recht GmbH

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